zitat Kekse backen in der Lehrküche

Gymnasiasten des Großröhrsdorfer Sauerbruchgymnasiums trafen sich mit Flüchtlingen. Kaufland spendete einen 1 000 Euro-Gutschein.

Alles war vorbereitet, die Teige angemischt und geknetet, die Verzierungssüßigkeiten bereitgestellt. Doch die Gäste, für die das alles gedacht war, fehlten zunächst: zehn Flüchtlinge vom Balkan, die derzeit in der alten Turnhalle leben. Die Gymnasiastinnen, welche die Gruppe abholen sollten, verfehlten sie. Die Osteuropäer hatten sich bereits in Richtung einer Berufsschule begeben, wo sie schon einmal eingeladen waren.

Ortskundige Schülerinnen zogen daraufhin los und fanden die Frauen, Jugendlichen und Kinder schließlich. Deutliche Erleichterung, als alle in der Lehrküche der Oberschule vereint waren. Anfangs standen sie, Flüchtlinge wie Schülerinnen und der eine Schüler sowie eine Praktikantin in Erzieherausbildung, etwas schüchtern da. Keiner wusste so recht, wie beginnen, doch vor allem die Kinder brachen das Eis schnell, und es dauerte nicht lange, bis alle lachend und schwatzend gemeinsam Teig ausrollten, Formen ausstachen und die Kekse in den Ofen schoben. Ein jugendlicher Albaner, Collaku Glejdis, kann schon recht gut deutsch, er übersetzte wo nötig. Andere behalfen sich mit Englisch und sogar Französisch, und wo das nicht half, taten es Hände und Füße, aber das war kaum nötig. Es zeigte sich, dass die Verständigung am Ende kein Problem ist. Und so buken die deutschen Gymnasiasten zusammen mit den größtenteils muslimischen Flüchtlingen vom Balkan Weihnachtskekse. Die meisten Albaner und Kosovaren wissen um die Bedeutung des Festes und freuten sich sehr, dabei sein zu können.

Grillfest im Mai

Schon seit Anfang des Jahres hat eine Gruppe von Elf- und Zwölftklässlern den Kontakt zu den Menschen in der Turnhalle gesucht und einiges auf die Beine gestellt. Regelmäßig trieb man gemeinsam Sport, vor allem Fußball und Volleyball. Im Mai gab es ein Grillfest. „Natürlich hatten wir anfangs auch Anfeindungen von außerhalb und im Internet“, sagte Linda Bredow, die zusammen mit Linda Prescher das Organisationszentrum bildet. „Zum Glück blieb es bei Verbalattacken, die angekündigte Störung des Festes gab es nicht“, so die Elftklässlerin. Auch vonseiten des Leiters des Gymnasiums, Ulrich Schlögel, habe es Anfangs Skepsis gegeben, doch letztendlich habe er jetzt die Schülergruppe darauf hingewiesen, dass Kaufland, dessen Partnerschule das Gymnasium ist, 1 000 Euro Gutscheine für solche Aktionen vergebe. „Und er hat auch geholfen, so einen Gutschein zu bekommen. Wir haben nun davon alles, was wir für den Nachmittag brauchen, gekauft“, sagte Linda Prescher. Vom großen Rest von immerhin noch gut 700 Euro wolle man nun für alle 62 Menschen, die in der Halle wohnen, ein kleines Weihnachtsgeschenk besorgen und eine Fleecedecke. „Denn es ist doch recht kühl in der Sporthalle“, so Linda.

Die Früchte gemeinsamer Arbeit

In der Lehrküche fing es schon bald an verführerisch zu duften an. Die ersten Kekse waren fertig und immer noch wurde gewerkelt. Es zeigte sich, dass die Frauen nicht unerfahren sind im Backen, und so entstanden auch fantasievolle Kreationen. Im Nebenraum war eingedeckt und weihnachtlich geschmückt, da setzten sich später alle zusammen und genossen die Früchte der gemeinsamen Arbeit. Lustiger Weise ist dieser Raum, in dem gefeiert wurde, im Alltag das Klassenzimmer, in dem Collaku und auch andere junge Flüchtlinge, Deutschunterricht haben. Der Albaner sagte, dass er es sehr genießt, in die Schule zu gehen. „In Albanien hatte ich einen Schulweg von insgesamt vier Stunden zu Fuß, und es ging uns wirklich schlecht.“

Wie lange er und die andern hier bleiben werden, weiß keiner. Was auch ein Problem für die Schülergruppe ist. „Am Anfang waren Syrer da, eine ganze Weile, da entstanden schon richtige Freundschaften, wir haben uns sehr gut verstanden“, berichtete Linda Bredow. Doch die Syrer seien nun weg, und es kommen immer neue Flüchtlinge in die Halle, andere verschwinden wieder. Dennoch hat niemand Zweifel daran, dass der Kontakt aufrechterhalten werden muss. Vor allem den gemeinsamen Sport wollen sie wiederbeleben. „Doch wir dürfen nicht allein in die Halle, es muss eine Aufsichtsperson da sein, und es gibt eben niemanden. Wir hoffen, dass wir da mit der Stadtverwaltung eine Lösung finden“, so fast einstimmig die beiden Lindas. Der Kontakt hilft, die Barrieren zu überwinden, die Sprachlosigkeit zu durchbrechen, sodass plötzlich „aus Flüchtlingen ganz normale Menschen werden“.

Von Frank Sühnel
Erschienen am 16.12.2015 in der Sächsischen Zeitung